*unterschreib*
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Mir liegt da was auf dem Herzen. Mal wieder. Das wird sicher noch häufiger vorkommen. Heute geht es mir um Zeitungsartikel. Zeitungsartikel, die Erfolgsgeschichten über behinderte Menschen präsentieren wollen. Da macht ein Carry Jung eine Ausbildung. Kurz zusammengefasst, steht in dem Artikel, dass alle total verwundert waren, weil sie nicht wussten, was Autismus ist. Und erst recht nicht dachten, dass das gar nicht so schlimm ist, dass Carry auf ganzer Linie überzeugen konnte. Er war vor der Ausbildung ziemlich unselbstständig. Doch mit ganz viel Liebe und Unterstützung hat er dann doch noch die Ausbildung geschafft. Und der Betrieb war begeistert. Alle haben ja so viel von ihm gelernt. Das Ende ist allerdings genau das Gleiche, wie in jedem dieser Artikel, die über diese angeblichen Erfolgsgeschichten behinderter Menschen berichten. Am Ende will die nämlich keiner. Ach ich vergaß, Carry ist hochbegabt und machte eine Ausbildung zum Metallwerker. Klingt in meinen Ohren nach genau der richtigen Ausbildung für einen hochbegabten Menschen, aber was hab ich da schon zu sagen. Das ganze wurde organisiert von der Agentur für Arbeit (ach was, das erklärt so einiges). Wir kennen dieses Spiel fast alle, glaube ich. Alles in allem wird dann diese Erfolgsgeschichte als Paradebeispiel für Inklusion angeführt.
Erst einmal zu der Situation selbst: Carry ist jetzt 21, hochbegabt und hat eine Ausbildung zum Metallwerker. Ihn will niemand übernehmen. Welche Glanzleistung der Inklusion soll denn das bitte darstellen? Sein Ausbildungsbetrieb kommentiert das ganze folgendermaßen: Wir können uns den Aufwand nicht leisten, den Carry braucht. Okay. Wo bitte ist hier gleich noch Inklusion zu finden? Weil Carry nun mit, statt ohne Ausbildung arbeitslos ist? Nennen wir das als Gesellschaft erfolgreiche Inklusion? Nennen wir das Kind doch beim Namen: Diese Erfolgsgeschichte ist einfach keine. Sie ist eine weitere Geschichte des Scheiterns, in einer endlosen Debatte um Inklusion und dem Widerwillen der Arbeitgeber (oder wahlweise auch Schulleiter). Es ist die traurige Realität der meisten von uns. Halten wir den Mund, werden wir gemobbt und verbiegen uns, bis wir zusammen brechen. Machen wir den Mund auf, will uns keiner, weil wir wertlos sind. Nein, nicht wertlos, nur übersteigen die tatsächlichen Kosten den reellen Wert, den wir darstellen. Heißt, wir kosten mehr, als wir einbringen und damit sind wir wirtschaftlich nicht rentabel. Das wir dabei permanent unter Wert verkauft werden, ist nochmal eine andere Geschichte.
Das ist ein Missstand unserer Gesellschaft, gegen den viele von uns kämpfen. Um fehlende Anerkennung, um ein Recht darauf, zu bekommen, was wir benötigen, damit wir wertvolle Arbeit leisten können. Niemand verlangt vergoldete Toiletten (und wer dies tut, wird gleich bezichtigt, Autist zu sein. Buh!), alles was wir verlangen, ist Menschenwürde. Würde, ein Recht das angeblich jeder Mensch mit seiner Geburt erhält. Manchmal halte ich das aber für ein Gerücht. Wir kämpfen um Würde und bekommen einen Arschtritt. Aber das ist ja noch nicht alles!
Denn jetzt kommt der Punkt, der mich wirklich massiv stört.
Was verkauft uns eine Erfolgsgeschichte dieser Art denn eigentlich wirklich? Was vermittelt sie uns emotional? Was geschieht mit der Psyche, wenn man von Artikeln dieser Art bombardiert wird? Und das gilt nicht nur für Autisten, sondern auch für jeden anderen, der im nächsten Umfeld zu einem Autisten lebt, insbesondere dem Vormund! Ich kann natürlich nur beschreiben, was es mit mir macht. Es wird sicher andere geben, die anderer Meinung sind und das ist auch vollkommen okay. Aber ich bin auch mit Sicherheit nicht die einzige, die von diesen Artikeln massiv getroffen wird.
Ein wichtiger psychologischer Effekt ist, dass wir glauben, was wir immer wieder hören. Je öfter wir es hören, umso fester glauben wir daran. Oder in diesem Fall eben lesen. Selbst wenn wir wissen, dass das, was wir da immer und immer wieder lesen, falsch ist, glauben wir irgendwann daran. Dazu gibt es tausende psychologische Studien, dass ist empirisch bewiesen. Das dieser Effekt existiert, ist auch kein Geheimnis. Wenn ich nun immer wieder Erfolgsgeschichten lese, die keine sind und an deren Ende alles beschissen ausgeht, dann glaube ich das irgendwann. Irgendwann überschreite ich den Punkt, an dem ich die gelesenen Artikel zu meiner eigenen Realität mache. Und das was der Artikel sagt, indem er eine Geschichte des Scheiterns als Erfolgsgeschichte verkauft, ist eigentlich:
Das ist das Beste, was du schaffen kannst! Das ist das Maximum.
Das ist Erfolg! Deine Zukunft wird die Arbeitslosigkeit sein.
Und das brennt sich ein. Darauf folgt ein weiterer schöner psychologischer Effekt. Die self-fullfilling prophecy. Wer die Geschichte zu Troja kennt und ein bisschen mit dem Kassandra-Effekt vertraut ist, der wird schnell verstehen, was ich sagen will. Indem ich diese Geschichte zu meiner eigenen mache, weil ich sie immer und immer und immer wieder lese und irgendwann einfach daran glaube, bestimme ich mein Schicksal damit. Diese Artikel werden meine Realität. Denn ich handle nun so, dass sich die Zukunft so erfüllt, wie ich sie erwarte. Und was erwarte ich? Die Arbeitslosigkeit, genau. Wie soll ich also aus dem Loch heraus kommen? Wie soll ich selbstbewusst in eine Ausbildung gehen, wenn ich glaube, dass das alles sowieso nichts wird? Wie soll ich selbstbewusst in ein Bewerbungsgespräch gehen, wenn ich permanent Angst davor habe, wieder abgewiesen zu werden? Wenn ich damit rechne, abgewisen zu werden und dann auch abgewiesen werde, aktiviere ich mein Belohnungszentrum und dann wird alles verstärkt. Die Haltung brennt sich ein, mein Schicksal scheint nun fest zu stehen. Denn ich sehe ja, was die Erfolgsgeschichten meiner Leute sind. Wie viele Autisten sind auf dem ersten Arbeitsmarkt? 5%? 10%? Und wieso kenne ich niemanden? Wo sind diese Leute?
Ganz ehrlich, ich will nicht mehr. Ich will richtige Erfolgsgeschichten lesen, oder Geschichten des Scheiterns auch als solche deklariert sehen. Ich will keine Euphemismen mehr, die Scheiße schön reden und mich dann doch nur in die Arbeitslosigkeit drängen. Ich will raus aus dieser Hilflosigkeit und selbstständig sein. Immer und Überall. Ich möchte nicht länger eingeschüchteter Bittsteller sein, der auf Gnade hoffen muss. Ich will es nicht trotz meiner Behinderung schaffen, ich will es wegen meiner Behinderung schaffen, sie macht mich nämlich auch innovativ! Ich bin nicht minderwertig! Ich bin ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft, das wertvolle Arbeit zum Gemeinwohl beiträgt. Ich bin kein Kostenfaktor, ich bin ein Mensch mit Gefühlen und mit Stärken und Schwächen, so wie jeder andere verdammte Mensch auf diesem Planeten auch!
Wo sind die echten Erfolgsgeschichten? Wo sind die Geschichten über behinderte Menschen, die es wirklich geschafft haben? Die dem Kreislauf entkommen konnten? Die ein glückliches Leben führen und sich einrichten konnten? Wo sind diese Geschichten über diese Menschen, die einfach nur zufrieden ihrer Arbeit nachgehen, ein gutes Privatleben haben, so wie sie es sich wünschen und denen es finanziell gut geht? Menschen ohne Existenzängste? Die ihrer Qualifikation entsprechend arbeiten?
Und wenn dann doch mal eine Geschichte über einen solchen Menschen auftaucht, dann sehe ich, was all die anderen angeblichen Erfolgsgeschichten angerichtet haben. Ein glücklicher Autist ist unvorstellbar geworden und es hagelt Bedrohungen, die Diagnose wird aus Fernsicht, ohne persönlichen Kontakt, abgesprochen, es wird beschimpft und beleidigt und die Diskussion um die Modediagnose flammt wieder auf. Dann startet er wieder, der Kontest des Leidens und es wird wütend und polternd ausgelotet, wer der Gewinner sein soll. Alle überschlagen sich in ihren Leidensgeschichten.
Ich habe es so satt!
Vielleicht gehe ich endgültig aus allen Gruppen raus, ich will das nämlich nicht mehr glauben. Ich hab genug.
Ich möchte heute mal- aus aktuellem Anlass- über das Telefonieren schreiben.
Vielleicht kennt das ja auch der eine oder andere…
Mal eben irgendwo anrufen ist ne Sache, die mich jetzt mehrere Wochen beschäftigt hat.
Ich musste/ sollte mal eben irgendwo anrufen.
Ich selber rufe (abgesehen von meiner Freundin) vielleicht einmal im Jahr irgendwo an. Ich hasse telefonieren- und zwar wie die Pest.
Wenn es irgendwie möglich ist, erledige ich alles schriftlich.
Ist ja für die meisten Leute schön und praktisch, dass das Telefon erfunden wurde, aber irgendwie ist Telefonieren für mich eine Kommunikationsdisziplin, die mir eher auf den Magen schlägt, als dass ich mich an ihr erfreuen kann.
Jedes Mal aufs Neue.
Ich hab zwar auch eins, ein Handy. Uralt. Und das dient mir hervorragend als Wecker.
Aber wehe, das Ding klingelt außer zum Wecken….und es zeigt nicht die Nummer meiner Freundin an.
Wenn einfach so das Telefon klingelt, und es ist nicht meine Freundin, dann heißt das eigentlich fast immer, es ist was „Offizielles“.
Ich habe keine Angst vor „offiziellen“ Sachen, aber ich empfinde das Telefonklingeln ohne Voranmeldung wie einen Einbruch in meinen innersten Raum… wirklich wie einen Einbruch…so als stünde der am anderen Ende bereits mit einem Fuß in der Tür.
Am besten noch morgens… vor oder während meiner Routinen. Prima… dann kann es sein, dass der halbe Tag kippt.
In solchen Situationen greif ich dann auch gerne mal zu Strategien, über die ich im Nachhinein selber den Kopf schüttele, wie zum Beispiel viele Kissen über das Handy türmen oder es in den Kühlschrank legen und die Küchentür zu machen, bis das Klingeln endlich vorbei ist.
Man könnte ja auch einfach ran gehen… theoretisch.
Und ich denke mal, das tun auch die meisten Menschen.
Ich kann das auch…aber nur in Ausnahmesituationen. Also in Situationen, die für mich wirklich extrem wichtig sind.
Wie zum Beispiel letztes Jahr, als mein Kater plötzlich verschwand und ich die ganze Stadt mit Suchmeldungen gepflastert hatte. Da bin ich innerhalb von vier Wochen über 100 Mal ans Telefon gerannt und hab sofort und ohne zu zögern abgehoben.
Aber so im Alltag…?
Da ist es irgendwie schon ganz anders.
Da schleich ich erst mal um das Telefon herum, als wär das Ding gefährlich.
Wenn angezeigt wird, wer sich da in meinen „Film“ klingelt, dann fange ich an, darüber nachzudenken, was ich mit demjenigen sprechen werde, wenn er ein weiteres Mal anruft und „übe“ quasi für mich dieses Gespräch, damit ich mir wenigstens über die Basics keine Gedanken machen muss. So kann ich mich auf das bevorstehende Gespräch einstellen.
Wenn nur eine Nummer angezeigt wird und ich den anderen Gesprächsteilnehmer nicht kenne, wird es dann für mich schon schwieriger, mich auf das Gespräch zu konzentrieren.
Meistens vergesse ich während des Telefonats schon wieder, mit welchem Namen die Person an der anderen Seite der Leitung sich gemeldet hat sowie auch irgendwelche Einzelheiten , wenn ich es nicht sofort während des Telefonats aufschreibe.
Ich bin die meiste Zeit des Telefongesprächs so damit beschäftigt mich zu fragen, ob die Person an der anderen Seite jetzt gerade nur Luft holt oder eine Pause macht, ob ich jetzt sprechen soll und wie lange und was irgendwelche Geräusche zu bedeuten haben, die ich da noch so aus dem Telefon höre, dass das eigentliche Gespräch zur Nebensache wird.
Hinterher rege ich mich meistens über mich selber auf, weil ich dann oft das Gefühl habe, ich hätte mich total ungeschickt und gehemmt formuliert und meine Sätze mit lauter „ ähhhm, öhhhm“ und ähnlichen Lauten gespickt oder hätte ewig gebraucht, um auf den Punkt zu kommen oder etwas zu erklären.
Und spiele das Telefonat wieder und wieder durch.
Und mir fallen plötzlich massenweise bessere, elegantere, treffendere Sätze ein, die ich hätte sagen können. Das bringt mich dann in dem Moment in totale Unruhe.
Und dann hab ich das Gefühl, ich hab mich in dem Gespräch verhalten wie der letzte Idiot.
Auf die Idee, dass das Gespräch vielleicht für den anderen völlig „normal“ und ausreichend gewesen ist, komme ich meistens erst mit ziemlicher Verzögerung und nachdem ich mich ausgiebig über mich selbst aufgeregt habe.
Jetzt ist es aber so, dass ich „mal eben“ bei jemandem anrufen musste/ wollte.
Und zwar bei einer Fachärztin für psychosomatische Medizin.
Wochenlang habe ich mir jetzt den Kopf zermürbt, wie ich der Frau erklären soll, was ich von ihr will, ohne dass sie mich gleich für eine total Irre hält.
Wochenlang hab ich dieses Telefonat jetzt vor mir hergeschoben, es immer wieder neu im Kopf vorbereitet und mir Gedanken über alles Mögliche gemacht. Ich war schon kurz davor, es ganz bleiben zu lassen.
Letzten Endes hab ich dann tatsächlich „mal eben“ da angerufen- nach 6 Wochen oder so. Und hatte nach 2 Minuten einen Termin und das Gespräch war vorbei.
Die ganzen Stunden, die ich im Vorfeld mit Gedanken über dieses Telefonat verbracht habe, hätte ich mir auch sparen können.
Das weiß ich jetzt. Jetzt im Moment.
Das heißt aber nicht, dass es beim nächsten Mal anders wird, wenn ich „mal eben“ irgendwo anrufen muss.
Wenn ich einen potenziellen Partner kennenlernte, machte ich von Anfang an klar, was meine Tabus und Erwartungen in einer Beziehung sind. Mit jeder neuen Erfahrung, wurde dieses „Beziehungshandbuch“ umfangreicher.
Meine Partner machten den Eindruck, dass sie es verstanden hätten und in der Lage wären, meine Bedürfnisse zu akzeptieren. Scheinbar realisierten sie aber die Tragweite nicht. Dass ich alles ernst meinte, was ich sagte. Mittlerweile weiß ich sehr gut, was mir gut tut und was nicht. Ich kenne beide Seiten: nicht funktionierende und eine funktionierende Beziehung.
Ich schreibe wieder über mich und meine Erfahrungen. Einiges davon wird bei anderen Autisten bestimmt auch zutreffen, aber eben nicht alles und auch nicht bei allen, denn jeder ist anders!
1. Mir ist Kommunikation sehr wichtig!
Wenn Probleme oder Missverständnisse aufkommen, muss ich darüber reden und erwarte, dass mein Partner auch redet/ zuhört.
Nur wenn negative Gefühle/ Erlebnisse angesprochen werden, kann ich sie erkennen, auswerten und daran arbeiten. Ich bemerke sehr schnell, wenn „etwas nicht stimmt“. Viel mehr weiß ich dann aber auch nur selten. Deswegen spreche ich es an, versuche herauszufinden, was los ist. Ich leide mit, wenn mein Partner leidet und es steigert sich, wenn ich nicht erfahre, WARUM er leidet. Nur wenn ich es weiß, kann ich daran arbeiten.
2. Mein Partner muss über den eigenen Tellerrand sehen können.
Ich mache/ sage oft Dinge, die für Außenstehende unerklärlich sind. Fragt man mich aber gezielt danach, kann ich es gut erklären und versuche meine Perspektive zu zeigen. Welches Verhalten meinerseits dahinter stand. Leider können nicht sehr viele Menschen komplett „umdenken“ und bleiben lieber bei ihrer Perspektive, die die „einzig wahre“ ist.
3. Ich brauche Nähe UND Distanz
Je mehr ein Partner „klammert“ und mir meine Freiheit „raubt“, weil ich und meine Energie als selbstverständlich angesehen werden, desto mehr ziehe ich mich zurück. Brauche Luft zum atmen.
Ich meine es nicht böse oder verletzend, wenn ich alles um mich herum „ausblende“ und meine Spezialinteressen verfolge. Ich weiß, dass es oft verletzend angesehen wird, aber ich kann darauf nicht verzichten, wenn mein inneres Gleichgewicht nicht aus den Fugen geraten soll.
Das ist meine Methode der „Erdung“ und Energieschöpfung. 24 Stunden reichen dabei oft nicht aus, wenn ich längere Zeit keine Möglichkeit hatte, für ein paar Stunden mal
meinen Hobbies nachzugehen und dabei über mich selbst/ die Welt nachzudenken.
Mindestens zwei Mal im Jahr fahre ich deswegen für ein paar Tage ganz alleine ans Meer. In schlimmeren Phasen können das auch 2 oder 3 Wochen werden. Danach bin ich aber so gestärkt, dass ich für einige Monate Energie habe.
Mein Partner muss damit umgehen können, dass ich „spontan“ für mehrere Tage aus dem gemeinsamen Leben verschwinde, aber immer wieder zurückkomme und es keineswegs ein Zeichen dafür ist, dass die Beziehung „kriselt“.
4. Ich hasse Überraschungen, die meine eigenen Pläne/ Ansichten durchkreuzen.
Ein Ex von mir hatte Konzertkarten gewonnen und hat mich damit überrascht. Schon Tage vorher merkte ich, dass er etwas „im Schilde“ führt. Er sagte mir natürlich nicht, was. Es sollte ja eine Überraschung sein! So wurde ich immer nervöser, weil ich nicht wusste, ob es mir gefallen wird, was er vorhat.
Am Tag des Konzerts sagte er mir, dass ich mich doch schick machen solle, weil wir wegfahren. Er sagte mir nicht wohin oder sonst irgendetwas. Somit stellte ich viele Fragen: „Gehen wir ins Restaurant?“ – „Gehen wir ins Kino?“ usw. Alles wurde nur mit Nein geantwortet… „Wie sind denn die Menschen gekleidet, die dorthin gehen?“ – „Rockig“ Ich freute mich, dass er mit mir in meine Lieblingsdisko ging (ein recht ruhiger und entspannter Laden mit vielen Nebenräumen und Rückzugsmöglichkeiten). Ich machte mich also so zurecht, als würde ich in die Disko fahren. „So willst du gehen?!“ – „Fahren wir nicht ins „XY“?“ – „Nein“
Enttäuschung machte sich breit, weil das wirklich ein schöner Abend geworden wäre.
Er gab mir ein paar „Tipps“ bezüglich der Garderobe. Während ich mich umzug kam er zu mir, sagte mir, dass ich aufhören kann, weil es heute nichts mehr wird. Ich stellte ihm so viele Fragen, bis er mir verriet, wo es hingehen sollte: ein Konzert! Ich war so froh, dass es abgesagt wurde, weil der Tourbus der Band im Schnee steckengeblieben war…. So hatte ich Zeit, mich auf den Ersatztermin vorzubereiten und die Band erstmal „kennenzulernen“. Die Überraschung hätte deutlich nach hinten losgehen können, weil ich extremer Lautstärke und vielen Menschen ausgesetzt wäre. Außerdem war es etwas „Neues“, weil mein bisher einziger Konzertbesuch mit 9 Jahren als Ostergeschenk meiner Eltern war.
Überraschungen sollten also gut durchdacht sein und möglichst wenig „Variablen“ erhalten, was meinen „normalen“ Tagesablauf betrifft. Da sind mir symbolische, kleine Gesten deutlich lieber… ein Brief, ein Foto, kleine Gegenstände, die ein gemeinsames Erlebnis aus der Vergangenheit charakterisieren o.ä.
Ja, ich bin eine romantische Autistin. Romantik habe ich als frühes Spezialinteresse „inhaliert“. Disney-Filme, Märchen, später Dramen… Ich suchte dabei nicht den „Ritter auf dem weißen Pferd“, sondern einen Mann, der mich so sehr liebt, dass er solche Dinge, wie im Märchen, für mich tun würde. Ich aber ebenso bereit bin, einen hohen Preis für unsere Liebe zu bezahlen. Manche nennen es kitschig, ich nenne es Selbstwert.
In meinen Partnerschaften ging ich in gewisser Weise symbiotische Verbindungen ein. Wenn ich meine Energie dafür nutze, dass es meinem Partner bgut geht, geht es mir auch gut. Nutzt er die „übertragene Energie“ dafür, mir auch welche zu übertragen bzw. mich mit meinen Problemen zu unterstützen, kann uns so schnell nichts trennen, weil wir ausgeglichen sind.
Das wird ziemlich verworren und komplex, wenn mein Partner eben diese „Mühe“ nicht aufbringt und Energie von mir „stielt“, weil es aus seiner Sicht vollkommen normal ist, dass ich seine Aufgaben zusätzlich zu meinen Aufgaben alleine bewältige. Ist dieser Punkt in einer Beziehung erreicht und keine Bereitschaft des „mir-zuhörens“vorhanden ist, rutscht nicht nur meine Stimmung weiter ab, sondern auch die meines Partners. Ich bin zu jeder Zeit bereit, Kompromisse einzugehen und darüber zu reden.
Auch habe ich es in meiner schlimmsten Beziehung mit verschiedenen „Kleinigkeiten“ ausprobiert, ihn „wachzurütteln“ und zu zeigen, dass ich gar nicht so viel verlange. Dass meine „Forderungen“ sehr realistisch und für ihn keinen großen Mehraufwand bedeuten.
Briefe, Gesten des Entgegenkommens, das für mich im Endeffekt nur eine dauerhafte „Mehrbelastung“ bedeutete, weil Dinge, die ich „ausnahmsweise“ übernahm, zur Selbstverständlichkeit wurden.
Wenn mein Partner mir immer wieder zwischendurch zeigen kann, wie viel ich ihn bedeute, habe ich wahnsinnig viel Energie, um das gemeinsame Zusammenleben zu verbessern. An gemeinsamen Träumen und Zielen zu arbeiten… bedingungslos und langfristig.
Meine „Romantik“ zeigt sich in kleinen Gesten. Mein Freund und ich haben einen Haushaltsplan und die Aufgaben etwas verteilt (zumindest die, die ich absolut nicht gerne mache). Dafür mache ich die Dinge, mit denen er Probleme hat. Alles andere machen wir so, wie es gerade anfällt/ wem es auffällt.
Er ist z.B. für den Müll und (freiwillig) die Küche zuständig. Wenn mir von diesen Aufgaben etwas auffällt, was ich erledigen kann, dann mache ich es, um ihm zu zeigen, dass ich ihn unterstütze.
Für „besondere“ Anlässe oder einfach, weil ich gerade Lust dazu habe, überrasche ich ihn mit Dingen, die er gerne macht/ die ihn garantiert glücklich machen.
Dafür muss ich meinen Partner aber gut kennen. Muss „aktiv zuhören“ können und mir eigene Gedanken dazu machen. So zeige ich meinem Partner, dass ich während seiner Abwesenheit an ihn Gedacht habe oder wie gut mir ein besonderes Erlebnis mit ihm gefallen hat.
Je nachdem, wie viel mich gerade beschäftigt, können diese „Aufmerksamkeiten“ geringer werden, weil ich dafür keine Kraft/ Zeit habe. Sie verschwinden aber nie und einem aufmerksamen Beobachter fallen sie auch auf!
Damit mein Partner mich auf ähnliche Weise überraschen kann, muss er mir auch zuhören können und in der Lage sein, meine „komplexe Welt“ richtig auszuwerten.
6. Humor „dosieren“
Ich bin selbst sehr humorvoll. Das erkennen aber meist nur die Menschen, die mich sehr gut kennen. Ich liebe die Selbstironie und Situationskomik. So oft, wie mir schon die verrücktesten Sachen passiert sind, bleibt mir da oft auch gar nichts anderes übrig. 😉
Dabei kann ich auch sarkastisch werden, jedoch ist es bei mir sehr gut zu erkennen, da ich es so „überzogen“ mache, dass es jeder (aus meinem näheren Umfeld) erkennt.
Am besten kann ich mit trockenem sarkastischen Humor umgehen, muss dafür aber eine Person extrem gut kennen, um einzuschätzen, was ernst gemeint ist und was nicht.
Das dauert oft Jahre! Je besser ich jemanden kenne, umso humorvoller werde ich. Weil ich immer mehr Situationen besser einschätzen kann und genau weiß, ob mein Gegenüber das auch lustig finden würde – oder nicht. Erst nach einem sehr lockeren, offenen und verständnisvollen Umgang miteinander, kann ich „lustiger“ werden. Dann aber oft so, dass anwesende Personen nur schwer wieder aus dem Lachen kommen.
Mir ist es bei vielen anderen nicht möglich, Sarkasmus/ Doppeldeutigkeiten zu erkennen, weil sie für mich exakt so wirken, wie die „Wahrheit“, jedoch einen logischen „Haken“ haben. Ich bin dann erst verwirrt und nachdem es mir erklärt wurde und ich es verstanden/ nachvollzogen habe, kann ich lachen. Das ist dann die berühmte „lange Leitung“ oder Resistenz gegenüber des „Schnellmerker-Gens“.
Deswegen ist es wichtig, dass mein Partner seinen Humor auch „dosieren“ kann. Ihn entweder so anwendet, dass selbst ich heraushöre, dass es ein Scherz ist oder so deutliche Situationen wählt, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als es so zu verstehen, wie es gemeint ist.
7. Nur konstruktive Kritik!
Ich habe oft gehört, dass irgendetwas nicht gut war, was ich gemacht habe. Dabei aber nicht erfahren, WARUM es blöd war. Aus meiner Sicht sind es logische Verhaltensweisen, die mich aus unerklärlichen Gründen immer wieder vor Probleme stellten.
„Das kannst du so nicht machen!“ bringt mir nichts, wenn ich nicht weiß, was daran „falsch“ war. „Das kannst du so nicht machen, weil die andere Person/ ich es „so und so“ verstehe/ sehe.“
Kritik mit Begründung und/ oder Verbesserungsvorschlägen mag ich sehr gerne, weil es mir hilft, mich zu „entwickeln“. In der Schule gab es damals auch oft Situationen, in denen ich keine Möglichkeit hatte, es zu erklären und die Lehrer mich mit schlechten Noten „bestraften“. Klassenarbeiten in Aufsatzform waren oft trotz nahezu perfektem Deutsch falsch. „Thema verfehlt!“
Ich verstand dabei nur, DASS es falsch war. Mir wurden aber die Aufgabenstellung und die genauen Erwartungen nicht erklärt.
8. Zärtlichkeiten können phasenweise recht spärlich auftreten.
Manchmal sind meine Gedanken so zahlreich und schwer, dass sich meine Körperwahrnehmung distanziert. Ich bin dann weniger Kontrolle über meine Motorik und bin nicht vollkommen „anwesend“. Es reicht, um alles mitzubekommen und entsprechend meiner Kraft zu reagieren, aber ich teile mir meine „Reserven“ ein. Wenn ich mehr in meinen Gedanken bin, habe ich absolut keine Lust auf Zärtlichkeiten. Ich brauche sie in solchen Phasen nicht, weil es bedeuten würde, dass ich aus meiner „Gedankenwelt“ verschwinden müsste und dabei versuche, sie „zurückzuhalten“, um meine Aufmerksamkeit nicht wieder aus sie zu lenken.
Ich bin auch schnell durch Sinneseinflüsse erschöpft. Mir steht in jeder Wachphase ein gewisses Pensum zur Verfügung, das an ruhigen Tagen schonmal 14 Stunden reicht.
Je anstrengender der Tag war und je mehr unvorhersehbare Dinge geschehen, desto schneller werde ich müde. So kommt es immer wieder vor, das ein Mittagsschlaf zu einer 6-stündigen Schlafphase wird und ich anschließend trotzdem noch die ganze Nacht bis zum Morgen durchschlafen kann.
Wenn ich nicht die Ruhezeiten bekomme, die ich haben müsste, verlängert sich die anschließende „Rehabilitationsphase“ bzw. meine Leistungen fallen bis dahin immer weiter ab.
Wenn ich Lust habe, mache ich es auch irgendwie deutlich.
Solange ich einen Partner habe, der Sex nicht als „Besonderheit“ sieht, sondern nur zur Befriedigung der Triebe, ist die Beziehung schon zum Scheitern verurteilt.
Das Pensum meiner Zärtlichkeiten besteht oft nur aus „im Arm liegen“ oder zwischendurch umarmen. Das bedeutet aber nicht, dass ich meinen Partner unattraktiv finde oder sogar einen anderen habe.
9. Mein Partner muss mit Ehrlichkeit umgehen können
Ich sage oft, was ich denke. Vollkommen ungeschönt und aus meiner Perspektive. Ich kann Verhaltensweisen von Menschen gut einschätzen, wenn ich entweder Informationen darüber gesagt bekomme, oder sie selbst entdecke.
Deswegen kannte ich einige Partner besser, als sie sich selbst. Mein Partner darf sich dadurch nicht verletzt fühlen, sondern sollte es als eine Möglichkeit sehen, GEMEINSAM daran zu arbeiten.
Die meisten meiner Partner sagen es als persönlichen Angriff, wenn ich (konstruktive!) Kritik übte. Auch kann diese Ehrlichkeit (wenn es vergangene Erlebnisse betrifft) andere Menschen sehr stark bewegen und sie depressiv machen. Das habe ich alles schon erlebt!
Ich war niedergeschlagen, weil mich etwas beschäftigte, was mir zugestoßen war, mein damaliger Partner fragte mich, was mich bewegt und ich erzählte es ihm.
Er war danach noch fertiger als ich und schlitterte geradewegs wegen MEINER Erfahrungen in eine Depression. Mein Kummer über die eigentlichen Sorgen wandelte sich um Angst, ob er die schon ausgesprochene Wahrheit verkraften kann.
Ehrlichkeit ist ein Segen, wenn Betroffene damit WIRKLICH umgehen können und in der Lage sind, fremde Sichtweisen von der eigenen Gefühlswelt auf rationaler Ebene „fernzuhalten“. Natürlich kann/ darf man trauern, gemeinsam weinen. Die Ehrlichkeit des Anderen sollte aber nicht so große Macht über die eigene Gefühlswelt haben, dass sie bei einem selbst deutlich mehr Ballast auflädt, als bei der betroffenen Person selbst.
Ich sehe in Ehrlichkeit keine Wertung. Es ist für mich eine Möglichkeit, einen anderen Menschen besser kennenzulernen und ihm auch die Möglichkeit zu geben, mich richtig und nicht nur oberflächlich zu verstehen.
10. Gemeinsame Interessen
Um langfristig eine glückliche Partnerschaft zu führen, ist es wichtig, mindestens ein gemeinsames Interesse zu finden. Ich brauche etwas, woran ich gemeinsam mit meinem Partner arbeiten kann. So habe ich die Möglichkeit, gemeinsam mit ihm ein Spezialinteresse auszuleben und zu vertiefen. Dabei bin ich wirklich begeisterungsfähig und solange mein Partner Spaß daran hat, habe ich selbst auch Spaß daran. So kamen bei mir schon vollkommen neue Interessen auf, die ich vorher überhaupt nicht verfolgt habe. Ich wurde z.B. ein riesen Fußballfan und bin regelmäßig ins Stadion gegangen.
…das Klischee eines autistischen Menschen besagt, dass er sich nur für sich selbst interessiert und nicht für andere. Er würde sich niemals nach Gesellschaft sehnen. Dieses Klischee trifft auf keinen Asperger-Autisten zu, den ich bisher kennengelernt habe. Es ist ein dummes Vorurteil.
Vor kurzem habe ich mich mit einem Asperger-Autisten getroffen, nennen wir ihn S. Es war von meiner Seite aus nicht lange geplant, dass wir uns treffen, das Treffen war recht spontan. S. hatte öfters im Internet geschrieben, dass er sich über Besuch von anderen Autisten sehr freuen würde.
Andere Menschen mit Asperger kannte ich bisher vom (intensiven) Austausch im Internet und von ein paar Treffen, die nur einige Stunden dauerten. Meine (offizielle) Diagnose habe ich erst seit relativ kurzer Zeit und bin immer noch sehr neugierig, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es im Verhalten von Autisten untereinander gibt.
S und ich haben es tatsächlich geschafft, einige Tage miteinander zu verbringen, ohne dass jeder stundenlang alleine in seinem Zimmer gehockt ist, weil ihn die Anwesenheit des anderen so in Stress versetzt hat. Es lag bestimmt an den gleichen Spezialinteressen, dass wir uns auf Anhieb verstanden haben und bei gleichen Themen „Feuer und Flamme“/auf gleicher Wellenlänge waren. S. ist ein aufmerksamer, liebenswürdiger, hochbegabter, humorvoller, musikalischer, emotionaler Mensch. Er hat die Einsamkeit nicht verdient, an der er offensichtlich leidet und ich hoffe, dass er in naher Zukunft einen Partner kennenlernen wird.
Kein Mensch kann die (phasenweise oder lebenslange) Einsamkeit eines autistischen Menschen besser nachvollziehen als ein anderer autistischer Mensch. Man will dazugehören, tut es aber nicht und weiß (bis zur Asperger-Diagnose) nicht, woran das liegt. Schließlich sucht man die Schuld bei sich selbst und meint, man hätte als Mensch sozial versagt.
Ich bin sehr froh, S. kennengelernt zu haben (und bin schon sehr gespannt, weitere Autisten kennenzulernen). Dieses Treffen wird sicherlich nicht das Letzte gewesen sein.