Psychotherapie-Ausbildung in progress

Ein paar Zeilen dazu, wie es mir in der Ausbildung zur Psychotherapeutin ergeht (eigentlich wusste ich gar nicht, was ich schreiben will – ein paar Zeilen sind es jetzt doch geworden, das freut mich sehr).

Die Arbeit mit den PatientInnen steht noch aus. Darauf freue ich mich einerseits, weil ich mir sicher bin, dass ich Spaß an dieser Arbeit haben werde. Andererseit bin ich ganz besonders gespannt, wie und ob diese funktionieren wird und wie sehr mich das Ganze auslaugt. Man hat mich schon darauf vorbereitet, dass die PatientInnen eher schwierig sind. Die Arbeitszeiten und das zeitliche Arbeitspensum über die klinische Arbeit hinaus werden sehr hart sein. Finanziell bleibt es, abgesehen von den Ausbildungskosten, sehr schwierig, weil (wieder mal) ein Umzug mit (natürlich) Kaution und Anschaffungen bevorsteht.                                                                                                                                                             Mein Crowdfunding dazu läuft noch neun Tage, 30% des Zielbeitrags sind erreicht (ganz großen Dank an meine bisherigen UnterstützerInnen!!!). Hier ist der Link zum Blogbeitrag über die Ausbildung mit dem noch aktiven leetchi-Crowdfundinglink http://wp.me/p5NL8S-df.

Es gibt aber auch viel Positives zum theoretischen Teil der Ausbildung zu berichten (das bezieht sich jedoch weniger auf die bisher vermittelten Inhalte). Man mag es kaum glauben, aber bisher bin ich keine Außenseiterin im Jahrgang. In weiser Voraussicht, dass ich alleine bleiben würde, wenn ich aktiv nichts unternehme, habe ich von Anfang an im Kurs Ausschau nach Menschen gehalten, mit denen ich auf einer Wellenlänge bin (das war tatsächlich bei einer Person der Fall, die auf den ersten und zweiten Blick eher dem „Außenseiter-Klischee“ entsprach). Dadurch, dass ich einer Arbeitsgruppe zugeteilt wurde, lernte ich auch andere TeilnehmerInnen etwas besser kennen und kann mich mittlerweile mit ihnen austauschen und sich gegenseitig unterstützen. Eigentlich habe ich immer jemanden zum Reden oder die Mittagspausen zu verbringen, wenn ich möchte (und werde auch von den anderen gefragt, wo ich denn meine Pause verbringen werde – eine neue Erfahrung :)).

Inhaltlich hoffe ich, dass mir noch therapeutisches Handwerkszeug vermittelt wird (das war bisher noch nicht in dem Maße der Fall, wie es für die Patientenarbeit hilfreich wäre). Im Zweifelsfall kann man sich immer noch viel anlesen (da bin ich auch schon von Anfang an fleißig dabei) und dann heißt es „ins kalte Wasser geschmissen werden“ und „learning by doing“. Sie dürfen mir gerne weiterhin die Daumen drücken, dass das alles gut klappt :).

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Treffen sich zwei Aspies…

…das Klischee eines autistischen Menschen besagt, dass er sich nur für sich selbst interessiert und nicht für andere. Er würde sich niemals nach Gesellschaft sehnen. Dieses Klischee trifft auf keinen Asperger-Autisten zu, den ich bisher kennengelernt habe. Es ist ein dummes Vorurteil.

Vor kurzem habe ich mich mit einem Asperger-Autisten getroffen, nennen wir ihn S. Es war von meiner Seite aus nicht lange geplant, dass wir uns treffen, das Treffen war recht spontan. S. hatte öfters im Internet geschrieben, dass er sich über Besuch von anderen Autisten sehr freuen würde.

Andere Menschen mit Asperger kannte ich bisher vom (intensiven) Austausch im Internet und von ein paar Treffen, die nur einige Stunden dauerten. Meine (offizielle) Diagnose habe ich erst seit relativ kurzer Zeit und bin immer noch sehr neugierig, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es im Verhalten von Autisten untereinander gibt.

S und ich haben es tatsächlich geschafft, einige Tage miteinander zu verbringen, ohne dass jeder stundenlang alleine in seinem Zimmer gehockt ist, weil ihn die Anwesenheit des anderen so in Stress versetzt hat. Es lag bestimmt an den gleichen Spezialinteressen, dass wir uns auf Anhieb verstanden haben und bei gleichen Themen „Feuer und Flamme“/auf gleicher Wellenlänge waren. S. ist ein aufmerksamer, liebenswürdiger, hochbegabter, humorvoller, musikalischer, emotionaler Mensch. Er hat die Einsamkeit nicht verdient, an der er offensichtlich leidet und ich hoffe, dass er in naher Zukunft einen Partner kennenlernen wird.

Kein Mensch kann die (phasenweise oder lebenslange) Einsamkeit eines autistischen Menschen besser nachvollziehen als ein anderer autistischer Mensch. Man will dazugehören, tut es aber nicht und weiß (bis zur Asperger-Diagnose) nicht, woran das liegt. Schließlich sucht man die Schuld bei sich selbst und meint, man hätte als Mensch sozial versagt.

Ich bin sehr froh, S. kennengelernt zu haben (und bin schon sehr gespannt, weitere Autisten kennenzulernen). Dieses Treffen wird sicherlich nicht das Letzte gewesen sein.

Mangelndes Urvertrauen und sexuelle Verunsicherung – Gedanken einer Autistin

Ich möchte nicht erklären, was Autismus ist und was es nicht ist. Ich schreibe über mich, meine Erfahrungen und MEINEN Autismus. Ich denke, wer diesen Artikel gefunden hat, wird sich schon etwas intensiver mit dem Thema Autismus auseinandergesetzt haben.

Wie ich in meinem vorherigen Post schon angedeutet habe, bin ich als Kind einer schizophrenen Mutter aufgewachsen. Das kann der Auslöser dafür gewesen sein, dass einige meiner autistischen Verhaltensweisen in gewisser Weise verstärkt wurden. In meiner Familie konnte ich einige „Verdachtsautisten“ ausmachen. Somit ist hier eine erbliche „Vorbelastung“ gegeben.

Väterlicherseits sind es „starke Persönlichkeiten“, die trotz Hindernissen ein „normales“ Leben führen können. Mütterlicherseits hingegen kamen fast alle Familienmitglieder ins Straucheln. Haben frühe Traumata erlebt und bis ins Erwachsenenalter (teilweise bis zum Tod), nie festen Boden unter den Füßen gefunden.

Nun trafen in meinem Elternhaus zwei vollkommen verschiedene Welten aufeinander. Mein Vater ist ein unbändiger Optimist und glaubt an das Gute im Menschen. Meine Mutter hingegen kann nicht vertrauen und sieht „Gutes“ nicht, selbst wenn es sich vor ihr offenbart.

Ich fühle mich mit meinem Vater mehr verbunden, weil wir uns sehr ähnlich sind. Ebenso wie er, bin ich Optimistin. Ich versuche immer das Beste aus einer Situation zu machen. Meine Mutter hingegen wählt das geringste Übel.

Vom Prinzip her erreichen wir vielleicht das Gleiche. Ich bin dann aber mit dem erreichten zufrieden, weil ich mein Möglichstes getan habe. Meine Mutter sieht es nur als Enttäuschung, weil ja doch so viel mehr möglich gewesen wäre.

Ich habe als Kind nie angezweifelt, dass meine Mutter „funktioniert“. Sie war eben meine Mutter und aus Sicht eines Kindes muss die Mutter funktionieren.

Zu diesem Zeitpunkt war unser Verhältnis schon deutlich ungewöhnlich, wenn auch noch nicht für Außenstehende sichtbar. Meine Mutter beschäftigte sich mit mir und ich auch mit ihr. Aber es war nie so, wie mit meinem Vater. Mit ihm tobte ich gerne, nahm ihn in den Arm, gab ihm einen Kuss. Das kenne ich von meiner Mutter nicht.

Ich fühlte mich immer etwas befremdlich, wenn ich Trost bei ihr suchte, weil es trotz körperlicher zu keiner emotionalen Nähe kam.

Bis zur Pubertät empfand ich mein Leben als glücklich. Ich eckte nicht so oft an, wurde so genommen, wie ich war, weil ich die gesellschaftlichen Erwartungen an mich noch erfüllen konnte.

Mit Einsetzen der Pubertät wurde ich zunehmend ausgegrenzt und gemobbt. Auch fiel mein Vater für mich als Bezugsperson weg, weil ich nicht mehr wusste, wie ich mich altersentsprechend verhalte. Ich war zu verwirrt über die unterschiedlichen Geschlechterrollen und die Übersexualisierung unserer Gesellschaft. Ich musste früh feststellen, dass ich oft nur als Objekt wahrgenommen wurde. Männer, die meine Oberweite anstarren oder sogar ansprachen, obwohl unser Kontakt nicht so innig war, dass es nach meinem Empfinden angebracht war. Damit kann ich bis heute nicht umgehen. Ich habe für mich einen Weg gefunden, möglichst elegant aus diesen Situationen herauszukommen – was in Anbetracht meiner Ängste und Scham in diesen Momenten eine Höchstleistung bedeutet.

Mit 10 Jahren begannen wohl auch meine Depressionen. Von da an fehlte mir jegliche Nestwärme. Hinzu kam, dass meine Mutter damals einen längeren Aufenthalt in der Psychiatrie hatte, weil sie – nach damaligen Aussagen der Ärzte – eine paranoide Psychose hatte. Darüber sprach aber niemand mit mir. Mir wurde nur gesagt, dass es ihr nicht gut geht und sie in einem Krankenhaus für die Seele ist. Ich könne sie auch nicht besuchen, weil sie sich momentan nicht daran erinnert, dass ich existiere Ich solle mit niemandem darüber reden, weil die Leute das nicht verstehen würden. Mein Vater war damals überfordert und gab mich zu meiner Großmutter mütterlicherseits. Ich wurde nicht gefragt, was meine eigenen Wünsche sind. Wie die Situation für mich am erträglichsten wäre.

Ich war in dieser Situation auf mich allein gestellt.

Mein Vater handelte damals so, wie er es aus seiner Sicht am sinnvollsten war. Dabei realisierte er nicht, dass ich mir der Tragweite der Ereignisse sehr wohl bewusst war. Da ich verängstigt und zutiefst verletzt war, blieb ich still. Zum ersten Mal wurden meine Probleme so groß, dass ich mit jemandem darüber reden wollte. Es wurde mir aber verboten genau das zu tun.

Meine Mutter hatte eine recht gut Beziehung zu der Mutter meiner besten Freundin. Deswegen kam ich den ersten Tag/ die erste Nacht zu ihr. Da ihre Mutter als eine der wenigen eingeweiht war, wusste auch meine Freundin Bescheid und ich vertraute ihr meine Gefühle an.

Am nächsten Tag in der Schule erzählte sie es anderen. Nicht nur aus Unwissenheit über die Konsequenzen, sondern als pure Provokation. Zutiefst entsetzt über diesen Vertrauensbruch, sprach ich sie unter vier Augen darauf an. Sie sagte mir, dass ich sie nerve mit meiner weinerlichen Einstellung. Auch wenn ich damals noch relativ klein war, konnte ich dieses Verhalten in keinster Weise nachvollziehen! Meine Mutter kam erst einen Tag zuvor in die Klinik. Sie hatte mich – ihr eigenes Kind – vergessen und mein Vater hatte mich quasi zu Hause rausgeworfen.

Für diese ganzen Umstände fand ich meine Verfassung noch sehr positiv.

Da ich damals schon gemobbt wurde, nutzten manche die Informationen über meine Mutter aus, um mich gezielt damit zu verletzen. Ich erinnere mich noch an eine Situation vor dem Musikraum. Wir warteten, dass unser Lehrer kam, um aufzuschließen, als manche Klassenkameraden anfingen, mich wegen meiner Mutter aufzuziehen. Ich warnte sie, dass sie damit aufhören sollen. Einer verstand nicht, wie ernst ich es meine und ich wurde energischer. Da er immernoch weiter machte bin ich auf ihn zugestürmt, habe mich vor ihn gestellt (ich war deutlich größer als er) und mit ganz entschlossener Stimme gesagt, dass er damit jetzt sofort aufhört. Es gab ein Raunen und ich wurde von einigen Gesichert fassungslos angesehen. So kannten sie mich nicht. Ich konnte mich ja doch wehren!

Ich hatte Ruhe. Zumindest, was das Thema meiner Mutter betrifft.

Mit meiner ersten Partnerschaft habe ich zum ersten Mal Harmonie und Geborgenheit erlebt. Es war eine sehr intensive (hauptsächlich intellektuelle) Beziehung. Es war, als hätte ich meinen Seelenverwandten gefunden. Unsere Liebe stand unter keinem guten Stern, weil sie die gesellschaftlichen Ansichten sprengte. Ich war noch minderjährig, er deutlich älter.

Er trennte sich von mir, weil er der Meinung war, ich hätte jemanden verdient, der mir ein besseres Leben ermöglichen kann, als es bei ihm der Fall ist. Auch hier wurde ich wieder nicht nach meiner Meinung und meiner Einstellung gefragt.

Ich trauerte sehr lange und verlor den letzten Halt, den ich noch hatte: meinen schulischen Erfolg. Mein Lebensziel änderte sich. Ich wollte unbedingt wieder dieses erfüllende Gefühl spüren, dass ich bei ihm hatte. Wenn ich das nicht finden würde, könnte ich mein Leben nicht genießen.

Ich wurde immer häufiger in kürzer werdenden Abständen enttäuscht. Männer lernte ich kennen, weil sie sich von meinem Äußeren angezogen fühlten. Nicht wegen meiner komplexen Persönlichkeit. Vielleicht noch anfangs, weil ich ganz anders bin, als bisherige Frauen, aber irgendwann sahen sie mich und meine Eigenheiten so abstoßend, dass sie aus meiner Welt flohen und viele Scherben zurückließen.

Ich zweifelte an mir, ob ich liebenswert bin. Bisher hatte das niemand erkannt.

Es begann, dass ich meinen Körper bewusst dafür einsetzte, Nähe zu finden. Eine Möglichkeit zu bekommen, kennengelernt zu werden. Ich schlief sehr schnell mit Männern, weil ich darin die einzige Möglichkeit sah, jemandem näher zu kommen.

Meine Mutter sagte mir ganz deutlich, dass ich eine Schlampe bin, weil ich von einem Bett zum nächsten hüpfe.

Die Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe, waren teilweise sehr schlimm für mich. Nach immer weiteren Enttäuschungen war ich soweit, mit Männern zu schlafen, um meine Ruhe zu bekommen. Männer, die zu viel über mich wussten, weil ich zu spät bemerkt habe, dass sie nicht die Richtigen sind. Um keinen neuen Stalker zu haben, gab ich ihnen das, was sie von mir wollten: Sex!

Auch befand ich mich das ein oder andere Mal bei Männern zu Hause, mit denen ich mich vorher schon ein paar Mal öffentlich getroffen hatte und hatte die Situation nicht mehr unter Kontrolle.

Wenn meine Bemühungen, ihn verbal von mir fernzuhalten nicht funktionierten, tat ich das, was sie wollten, weil ich Angst vor körperlicher Gewalt hatte.

Ich belog mich selbst dahingehend, dass ich One-Night-Stands hatte, die in Wahrheit keine ONS waren. Nur so konnte ich das letzte Quäntchen Selbstachtung schützen.

All diese Erfahrungen habe ich nie aus dem Aspekt heraus betrachtet, dass ich auf der Suche nach Vertrauen und Zuneigung war.

Seitdem mir das bewusst ist, betrachte ich meinen Autismus mit anderen Augen, weil sich viele Problematiken dadurch verstärkt haben. Die sexuelle Verunsicherung ist nur ein Aspekt von vielen.

Freundschaften und KlarNetAut

Vor gar nicht langer Zeit habe ich resigniert. Immer, wenn ich irgendwo neu angefangen habe (Schule, Universität, Arbeitsplatz) hatte ich eine große Hoffnung: Ich würde endlich auf Menschen treffen, die mich verstehen und so ticken wie ich. Ich würde Freunde finden. Dieses Mal würde ich mich noch mehr anstrengen, noch mehr auf die Menschen zugehen, mehr reden, mich nicht mehr verkriechen (und, und, und). Der letzte Versuch, Anschluss zu finden, sah folgendermaßen aus: Ich hatte einen Job ergattert und wurde nach der Uni eiskalt in die Berufswelt geschmissen.

Um zu Sozialkontakten zu kommen, hatte ich mir viel vorgenommen. Ich blieb am Ball und habe es nach einiger Zeit tatsächlich geschafft, mich mit ein paar anderen Kollegen auch außerhalb der Arbeit zu treffen. Jedoch habe ich schnell gemerkt, dass es seltsam war. Etwas stimmte nicht, ich passte und gehörte nicht dazu. Die Themen, über die sie beim Mittagessen sprachen, fand ich furchtbar langweilig. Sie dachten anders als ich, sie ließen sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Untereinander konnten sie aber sehr wohl etwas miteinander anfangen. Also war alles wie immer. Ich gehörte nicht dazu, OBWOHL ich mittendrin und dabei war. So habe ich innerlich die „Sozialkontaktsuche“ gekündigt, es war mir mittlerweile auch egal, ob ich an den Aktivitäten teilnahm oder nicht. Es brachte mir nichts, es war nicht meine Welt.

Einige Monate später sollte ich im Internet die Antwort finden – und zwar durch Zufall. Ich bin auf einen Artikel gestoßen, in dem „weiblicher“ Autismus beschrieben wurde. Sowie die Tatsache, dass dieser oft unerkannt bleibt, weil sich Asperger-Frauen von autistischen Männern unterscheiden und weniger auffallen. Mir wurde klar, dass es tatsächlich noch andere Menschen gab, die mir im Denken, Erleben und Verhalten ähnelten! Ich war kein Alien von einem anderen Planeten, mir fehlte kein Gehirnteil. Ich war Asperger-Autistin und ich war damit nicht alleine.

Die Kontakte, die ich mittlerweile geknüpft habe, geben mir sehr viel. Probleme, die andere Menschen gar nicht kennen, werden verstanden. Man muss sich nicht erklären. Und es ist alles andere als langweilig mit meinen Freunden, von denen ich einige auch im „realen Leben“ getroffen habe.

An meine Kleinkindzeit kann ich mich nicht erinnern. Ich soll aber still und sehr schüchtern gewesen sein. Laut der Aussage meines Vaters soll es aber zwei Freundinnen gegeben haben. Während der Grundschulzeit hatte ich eine beste Freundin, mit der ich mich fast jeden Tag getroffen habe. Später, auf dem Gymnasium, hatte ich wieder eine beste Freundin, wobei die Freundschaft ein paar Jahre hielt. Ich denke heute noch ab und zu wehmütig an diese beiden Mädchen, die jetzt, wie ich, erwachsene Frauen sind. Ich frage mich, warum sie sich über die Jahre so verändert haben, während ich „im Kern“ gleich geblieben bin. Heutzutage hätten wir uns nichts mehr zu sagen. In den weiteren Jahren auf dem Gymnasium hatte ich immer mal wieder eine beste Freundin. Auffällig war, dass sie immer nur ein paar Jahre blieben und dann weggezogen, oder auf eine andere Schule gewechselt sind. Ich habe nie einer Clique angehört, war nie Fan einer Band oder einer Stars, das ganze Fan-Getue fand ich lächerlich. Irgendwann war ich in der Oberstufe, ich war ganz allein. Ich habe auch nicht mehr versucht, mich in den Klassenverband zu integrieren. An diesem Punkt habe ich die Brücke hinter mir abgebrochen, der Schule, dem Elternhaus und der Stadt den Rücken gekehrt.

Heutzutage weiß ich immer noch nicht, wie man eine Freundschaft anbahnt und aufrecht erhält. Wann muss man sich beim anderen melden? Ist der/die andere überhaupt auf der Suche nach neuen Freunden? Bei meinen Sozialkontakten hatte ich immer Angst, zu aufdringlich oder übertrieben enthusiastisch zu wirken. Es könnte ja sein, dass der andere gar nichts von mir wissen will und zu allen so nett ist. Also habe ich mich nicht gemeldet, was vermutlich falsch war. Aber das fand ich immer noch besser, als abgelehnt zu werden.

Ich unterscheide sehr deutlich zwischen Bekannten und Freunden. Bekannte habe ich im Moment einige, die ich durch meine Beziehung kennengelernt habe. Bei Freunden (zu denen auch meine Beziehung zählt) muss ich mich nicht verstellen.

Das Klischee des Autisten, der sich nicht nach Kontakten sehnt und sich selbst genügt, trifft weder auf mich, noch auf andere Autisten, die ich kenne, zu.

Freundschaften

Freundschaften

Im Pflegen von Freundschaften bin ich eigentlich eine ziemliche Niete. Früher, als ich noch jung war, habe ich mich immer gewundert, wie andere das hinbekommen sich dauernd zu treffen , sich ständig was zu erzählen und dabei offenbar Spaß zu haben.Irgendwie war mir das immer ein Rätsel.  Eigentlich – wenn man es genau betrachtet-hatte ich immer nur Bekanntschaften…und die sind gekommen und gegangen. Relativ schnell ist dabei immer klar geworden, dass es da keine Basis für eine dauerhafte Verbindung gab. Ich kenne eigentlich im Realleben kaum jemanden, der meine Interessen teilt, und ich von meiner Seite aus habe kein Interesse an den Dingen, über die die meisten Menschen sich so unterhalten.
Aber auch ich habe eine Freundin, und zwar schon seit etlichen Jahren. Und für diese Freundschaft bin ich auch sehr,sehr dankbar. Meine Freundin Klaudi und ich haben vor vielen, vielen Jahren mal zusammen im gleichen Haus gewohnt, uns irgendwann mal zufällig wieder getroffen und daraus hat sich dann eine Freundschaft entwickelt. Diese Freundschaft bedeutet mir unglaublich viel und meine Freundin ist für mich der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt und die einzige reale Person, mit der ich dauerhaft in Kontakt bin, da ich auch sämtliche familiären Brücken hinter mir abgebrochen habe. Wir treffen uns in der Regel 1-2 Mal im Monat für eine Zeitdauer von etwa 2-3 Stunden. Dann sprechen wir über das, was uns jeweils bewegt, über das, was wir zur Zeit lesen oder als Hörbücher hören, fahren ins Aldi und kaufen ein und kochen etwas zusammen. Und danach ist das Treffen dann beendet. In der Zwischenzeit bis zum nächsten Treffen schreiben wir uns vielleicht mal eine E- Mail oder eine SMS- das war´s dann aber auch. Ein- oder 2 Mal im Jahr besuchen wir zusammen eine Veranstaltung . Das ist für mich das Äußerste, wozu ich in der Lage bin. Durch meinen Autismus habe ich einfach nicht das Bedürfnis, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Es hat auch schon Zeiten gegeben, in denen ich selbst unsere relativ seltenen Treffen so lange hinausgezögert habe, dass Monate dazwischen lagen. Solche Dinge tuen unserer Freundschaft jedoch keinen Abbruch, Meine Freundin weiß über meinen Asperger Autismus Bescheid und kann damit umgehen. In den ersten Jahren unserer Freundschaft habe ich meine Freundin sicher oft dadurch verletzt, dass ich nicht wie andere Menschen dieses Bedürfnis danach habe, viele gemeinsame Dinge mit-einander zu unternehmen und dass ich auch nur eingeschränkt in der Lage bin, an Dingen, die sie bewegt haben, emotional teilzunehmen. Da sie jedoch ein HSP (high sensitive person) ist, hat sie bald verstanden, dass ich das nicht aus böser Ansicht tue und dass sie mir trotz meiner sozialen Behinderung unwahrscheinlich viel bedeutet. Sie ist im Übrigen auch der einzige Mensch, der einen Schlüssel zu meiner Wohnung besitzt und Vertrauensperson für den Fall, wenn mir mal etwas passiert. Ich weiß, dass ich auf meine Freundin immer zählen kann, wenn es darauf ankommt. Zum Beispiel hatte ich im letzten Jahr eine schwere OP und lag fast einen Monat lang im Krankenhaus. In dieser ganzen Zeit ist meine Freundin jeden Tag zu mir nach Hause gefahren und hat meine 5 Katzen und meinen Hund versorgt. Auch in der ersten Zeit nach der OP, als ich zuhause nur auf der Couch lag und mich nicht bewegen konnte, kam sie jeden Tag, ist mit dem Hund rausgegangen, hat für mich eingekauft und die Tiere und mich versorgt. Und je mehr sie gemerkt hat, dass ich wieder selbst in der Lage war, meine Dinge zu erledigen, umso mehr hat sie sich dann wieder zurückgezogen, da sie genau wusste, dass ich dieses Alleinsein brauche. In der Zeit im Krankenhaus habe ich viel darüber nachgedacht, was meine Freundin alles für mich tut und wie sehr ich ohne sie aufgeschmissen wäre und wie viel sie mir bedeutet und ich habe quasi als „Sozialtraining“ angefangen, ihr von mir aus alle 1- 2 Wochen eine E-mail oder SMS an sie zu schreiben, einfach damit sie weiß, dass ich an sie denke. Ich glaube, dass sie sich darüber freut. Für mich ist das ein großer Schritt gewesen, denn vorher war ich dazu nicht in der Lage. Ich bin jemand, der sich sonst generell nicht bei anderen meldet. Nicht, weil mir alle egal sind, sondern weil ich so sehr in meiner Welt gefangen bin, dass die Drähte einfach nicht bis nach außen reichen. Verabredungen oder Verpflichtungen mit anderen Menschen können für mich zu so einer Belastung werden, dass sie mein komplettes inneres Gleich-gewicht und meinen gewohnten Ablauf so dermaßen durcheinander bringen, dass ich völlig gelähmt werde und gar nichts mehr auf die Reihe bekomme. So bringt mich zum Beispiel eine Verabredung für Freitag schon am Montag völlig aus dem Konzept und kann mich unter Umständen so blockieren, dass die komplette Woche eine völlige Katastrophe wird. Oft genug ist es mir schon passiert, dass der Druck und die Anspannung in den Tagen vor einer Verabredung so groß wurde, dass ich kurz vor dem geplanten Treffen abgesagt habe. Auch war ich eigentlich nie enttäuscht, wenn andere Menschen eine Verabredung mit mir abgesagt haben. Im Gegenteil…zumeist habe ich das als große Erleichterung empfunden. Spontane Treffen sind so eine Sache, die es bei mir überhaupt nicht gibt. Wenn ich irgendwo unterwegs bin, dann ist das immer zielgerichtet (arbeiten, einkaufen, Hund ausführen) und danach bin ich sofort wieder in meiner Wohnung verschwunden. Zufällige Treffen auf der Straße mit irgendwelchen Bekannten sind für mich eher unangenehm, da ich mit Small- Talk absolut nicht anfangen kann und außerdem in der „Matrix“ immer dermaßen reizüberflutet bin, dass ich mich gar nicht auf ein Gespräch konzentrieren kann. In solchen Situationen bekomme ich dann vermehrt Tics, was für mich ziemlich unangenehm und peinlich ist und weshalb ich solche Situationen so gut es geht vermeide.
Ich fühle mich dadurch, dass ich so zurückgezogen lebe, nicht einsam. Und ich denke, wenn man so eine Freundin hat wie meine Klaudi, dann ist man nie allein. Das reicht mir und damit bin ich eigentlich glücklich und zufrieden. Ich glaube, mehr wäre mir schnell zuviel.